Jedes Jahr im Winter Sex an Karneval

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„Scheisse, Vicki! Ich bin gerade am Ebertplatz wach geworden und weiß nicht, wo meine Hose ist.“ Klingt strange, ist meinem Freund Marco aber genau so passiert. Karneval halt. Muzemandeln, kleiner Feigling und die Pille danach. Klassische Weiberfastnacht in Kölle.

Karneval, Köln, Sex

Bumsfallera?

Ich hatte noch nie Sex an Karneval. Noch nicht mal mit meinem Partner. Das klingt einerseits extrem verklemmt, andererseits wahnsinnig unglaubwürdig, wenn man bedenkt, dass ich in Köln geboren und schon seit mehr als 30 Jahren Karnevalistin bin. Aber vielleicht liegt ja da auch der Hund begraben. Für mich ist Karneval kein alljährliches „Bumsfallera“, zu dem ich aus Oberfranken anreise, mir ein albernes Pilotenkostüm überwerfe (oder sexy Krankenschwester) und dann 5 Tage „gib ihm“.
Ich habe das erste Mal mit zwei Jahren Karneval „gefeiert“, im Mäusekostüm meiner Cousine und bin damals überraschend nüchtern geblieben. Bisschen „Kamelle“, bisschen „Schunkeln“ viel Verkleiden und kölsche Musik.
Das kennen Andi und seine 15-köpfige Jungs-Truppe aus Bayreuth natürlich nicht. Und das ist auch nicht schlimm, nur sind diese Typen, die Köln als Zwischenstopp zwischen Hüttengaudi und „Malle ist nur einmal im Jahr“ sehen, für mich leider unbumsbar. Natürlich tanze und flirte ich Karneval, aber die „Pille danach“ habe ich den Tag drauf immer nur für meine Freundinnen geholt.

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Kamelle oder die „Pille danach“?
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Schunkeln, Singen, Flirten

Für Menschen, die nicht aus Köln kommen schwingt beim Wort Karneval auch immer ein wenig Ekel mit. Notgeiles Gegrabsche, sternhagelvolles Rumgegröle und vollgekotzte Hauseingänge. Und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde: „So ist Karneval nicht!“ Natürlich ist Karneval genau so. Der Drogeriemarkt DM bietet dieses Jahr in seiner „Karnevalsabteilung“ Konfetti, Kondome und K.O.-Tropfen-Detektoren an. Das erzählt viel über die fünfte Jahreszeit. Aber für mich ist Karneval auch ganz viel Anderes. Sektfrühstück, wochenlange Kostümüberlegungen und Freunde, die seit Jahren extra nur für Karneval zurück in die Heimat kommen. Schunkeln, Singen, Flirten und am Ende den Nubbel verbrennen. Schließlich war der Schuld, wenn ich am nächsten Morgen nicht mehr gewusst habe, wie ich nach Hause gekommen bin.

„Sind Sie schwanger? – Blöde Frage, es ist Aschermittwoch! So kurz nach Karneval weiß ich das nicht.“

Vicki Blau

Warum schläfst du nackt im Treppenhaus?

„Vicki, ich konnte nicht mehr weiter Sex mit der haben.“, sagt mein Freund Leo beschämt-verkatert zu mir am Telefon. „Warum? Weil du festgestellt hast, dass Einhörner doch nicht dein Beuteschema sind?“ „Nein, ich musste währenddessen so lachen, weil ich gesehen habe, dass sie ein Arschgeweih hat, in dem ein Delfin durch einen brennenden Reifen springt.“ Bäm! Jetzt lache ich auch!
Oder mein Kumpel Max, der vor Jahren am Karnevalssonntag morgens sehr unsanft von der Polizei geweckt wurde, die ihn gefragt hat, warum er denn nackt im Treppenhaus schläft. Ärgerlicherweise hatte ihn seine Eroberung der letzten Nacht rausgeschmissen, weil er geschnarcht hatte. Sein Löwenkostüm war noch in der Wohnung, Max komplett geschminkt im Treppenhaus.
Die Lieblingssocken meiner Freundin Nina sind das Souvenir eines Mannes, den sie vor drei Jahren an Rosenmontag mit nach Hause genommen hat. Es gibt so viele lustige Geschichten.

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Walk of Shame

Wie bei fast jedem One Night Stand blüht einer der beiden Personen hinterher der „Walk of Shame“. Im Outfit von gestern Abend hart verkatert nach Hause. Nur kostet es einiges mehr an Überwindung sich den Polyesteralptraum von gestern nochmal überzustreifen, der von diversen Flüssigkeiten durchtränkt ist, als ein vergleichsweise „normales“ Outfit. Und dieser Fummel ist trotzdem immer noch schöner als nackt gehen zu müssen. Im Februar. (Was auf der Zülpicher aber auch nur so mittel auffällt).
Besonders unangenehm ist dieser „Walk“, der wirklich gar nichts topmodelhaftes hat, am 12.11., wenn „normale Leute“ wieder arbeiten gehen.
Ich glaube, für die Menschheit ist es wichtig, dass Karneval nicht im Sommer stattfindet. (Jeck im Sunnesching ist kein Karneval!) Noch mehr Freizügigkeit würde zu einer fiesen und fatalen Oberpopulation führen und die Kinder wären dann etwas, das man als „Jeckroulette“ bezeichnen könnte. Das ist unter anderem ein Grund, warum ich Angst vorm Klimawandel habe. Tropische Temperaturen sind für den brünftigen Karnevalisten nicht gut.

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Lecker Bützje!
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Jeck come back

Und obwohl das alles vielleicht ein bisschen widerlich klingt, finde ich wunderbar wie sehr uns Karneval öffnet. Nein, nicht Körperteile öffnet, sondern uns alle für Begegnungen. Wenn ein Eisbär auf ein Cowgirl trifft, dann ist das ein bisschen so wie am Strand: Kein Mensch weiß, wie die Person im echten Leben aussieht und was zählt, ist nur der Moment. Und genauso entstehen jedes Jahr im Karneval immer wieder unzählige, neue Paare, die sich im Getümmel verliebt haben. Radio Köln hat nach Aschermittwoch eine ganz eigene Kategorie: „Jeck come back“, in der sich Menschen, die Karneval aufeinander getroffen sind, nach den tollen Tagen wiederfinden können. Ich finde das schön. So wird klar, dass, wenn man die Dinge positiv sieht, Karneval ein Fest der Liebe ist. Ein extrem betrunkenes, aber auch nicht anstrengender als Weihnachten mit der Verwandschaft.

Sex, Karneval – ©Celina Albertz
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