EINE GRANTIGE KOLUMNE ZUM THEMA ELTERN WERDEN Der Endgegner trägt Dackelsöckchen

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Wenn mein Terrorzwerg mich nach einer Nacht voller 478.000 Dezibel lauten Schlafinterventionen anstrahlt wie ein Honigkuchenpferd … natürlich, er selber hat ja auch fabelhaft geschlafen. Merke: Wenn Babys im Traum schreien, wecken sie alle anderen, aber nicht sich selbst – lustige Ironie der Natur. Wenn mich dieses kleine Unschuldslamm also so anstrahlt, dann fühle ich mich ungefähr so, wie eine Laborratte sich fühlen muss, die ganz genau weiß, dass sich die Falltür, durch die sie vor etwas mehr als neun Monaten gelaufen ist, auch heute wieder schließen wird. Spätestens am Nachmittag, wenn die nächste Quengelphase beginnt. Trotzdem knabbere ich am Stückchen Käse. Ich kann nicht anders. Immer und immer wieder.

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Unsere Autorin weiß: Hormone sind die beste Droge der Welt.
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Ein Lachen, wie kein anderes

Als frisch gebackenen Eltern bleibt uns nichts anderes übrig, als die Momente voller Babylachen in uns aufzusaugen. Sie sind das was uns am Leben in einer Zeit, in der sich Durststrecke an Durststrecke zu reihen scheint. Ich inhaliere diese seligen Momente, wie ich früher nur Pizza inhaliert habe (serviert mit einem guten Boston Sour). Denn sie nähren das, was die Natur so klug initiiert hat: diesen herrlich warmen, manipulativen Hormonregen ohne den ich das Kind nach unmenschlich vielen schlaflosen Nächten wahrscheinlich bereits dem meistbietenden Verwandten oder Freund vermacht hätte. (Natürlich nicht an jemand fremdes. Man ist ja kein Unmensch.)

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Der schönste Job der Welt?

Bevor ich selber ein Kind bekommen durfte, habe ich Freunde mit Kindern oft sagen hören: „Eltern sein ist der schönste Job der Welt.“ Und ich schreibe bewusst „durfte“, denn ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, ist ein Geschenk – dessen bin ich mir absolut bewusst. Trotzdem ist dieser „schönste Job der Welt“ auch einer der anstrengendsten. Denn man hat nie, wirklich NIE, Feierabend. Warum sich trotzdem so viele Menschen im Nachgang voll Nostalgie und Herzschmerz die Zeit zurückwünschen, als ihre Mini-Mes noch mehr mini waren, kann ich nach einem halben Jahr nur erahnen. Meine Vermutung ist folgende: Erinnerung glorifiziert. Die Zeit heilt alle Wunden – und schiebt halt auch Erinnerungen weg, die unschön sind. Was bleibt, ist der reine, pastellfarbene Nebel, der uns nach Jahren nur daran zurückdenken lässt, wie wunderschön das Gefühl war, einen klitzekleinen Menschen im Arm zu halten und ihn im Schlaf selig lächeln zu sehen. Dass man ihn davor drei Stunden lang mit dem Kinderwagen durch die Straßen geschoben hat – dabei in Dauerschleife „Guten Abend, gute Nacht“ summend – ist in diesem Gedächtnisszenario irgendwie auf der Strecke geblieben. 

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Die große Liebe 2.0

Apropos „auf der Strecke bleiben“: Ich möchte an der Stelle unbedingt betonen, dass ich mein kleines Menschlein über alles liebe. Das ist ja selbstverständlich. Wobei: Es wird Menschen geben, die das lesen und mich nicht kennen. Also der Vollständigkeit halber: Mein Kind ist das süßeste und liebenswerteste von allen. Egal wie sehr es mir und meinem Mann in emotional überladenen Fürtzchen-quer-sitz-Nächten auf der Nase rumtanzt: Ich würde es für nichts auf der Welt missen wollen und werde es wie die klischeehafte Löwin ein Leben lang – und wenn es gut läuft, darüber hinaus – gegen alles und jeden verteidigen, der ihm schade will. Hätte man mir früher gesagt, dass man einen fremden Menschen schon nach sechs Monaten so lieben kann, ich hätte es nicht geglaubt. Aber es kommt, wie es kommen muss: Man verfällt seinem Kind. Egal wie viel Kraft es kostet. Und egal wie oft man am Tag das Oberteil wechseln muss. Merke: Babys speicheln mehr als ausgewachsene Bernhardiner. Kein Witz.

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Eltern werden: ein Auf und Ab der Gefühle.
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Die ungeschönte Wahrheit

Trotz all der Gefühlsduselei muss meiner Meinung nach auch einfach mal deutlich gesagt werden: Es ist sau anstrengend, ein Kind zu bekommen! Und das sollte in unserer Gesellschaft auch ruhig mehr thematisiert werden – fernab von den niemals gestressten, lachenden Mamis bei Pinterest, Instagram, im TV, in Magazinen und und und. Nicht in Form von liebevoll-gemeinten Witzchen, sondern wirklich ganz geradeaus: Leute, macht euch auf was gefasst, das wird anstrengend. Bereitet euch vor. Darauf, dass euch diese neue Aufgabe Tag für Tag an eure Grenzen bringen wird. Dieses nicht mehr einfach machen, was man will – sondern einen anderen Menschen immer und in jeder Sekunde eures Tages an erste Stelle zu setzen. Selber Schmerzen zu fühlen, wenn der kleine Wurm neben euch vor (Zahn-, Bauch- oder Was-weiß-ich-warum-) Schmerzen schreit und ihr ihm nicht wirklich helfen, sondern nur die Hand halten könnt. Im Ernst: Neben den definitiv vielen vorhandenen schönen Momenten, gibt es genau so viele negative Gefühle, die einen nach der Geburt erwarten. Und zwar nicht nur für die Frau. Wenn nach neun Monaten all die rosa Einhörner auf ihren lila Wölkchen davongallopieren, bleibt vor allem der Tonnen wiegende Schlafmangel, der wie ein zäher Schleim schwer auf den Schultern liegt. Und manchmal auch auf dem Herz. Das Gefühl nicht genug zu sein. Es eben nicht intuitiv zu können, wie man naiv geglaubt hat. Natural born parent? Ich beglückwünsche alle, die das waren, sind und sein werden. Ich bin es nicht. Aber ich werde besser. Es wird besser. Mit der Zeit. Und es wird leichter. Auf sich selber zu vertrauen und auf den Instinkt, den man definitiv braucht. Ein Baby sagt ja nie konkret, was los ist. Hört sich verrückt an, aber das kann einen unfassbar frustrieren. Wenn man alles versucht, aber nicht wirlich Feedback bekommt. Mir persönlich hätte es geholfen, wenn ich all das gesagt bekommen hätte. Neben den herzigen Glückwünschen und den rosaroten happy-clappy Artikeln, Tutorials und Co., die ich neun Monate konsumiert habe.

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Es sind dann wohl doch die kleinen Dinge…

Aber heute weiß ich es selber: Werdenden Eltern im Freundeskreis möchte man ungern negative vibes zumuten. Also macht man eins: Man gratuliert von ganzem Herzen. Und man meint es so. Denn man weiß, wie bewegend diese Erfahrung ist. Und wie sie das eigene Leben bereichert. Denn am Ende ist auch das die Wahrheit: Wir wachsen mit unseren Herausforderungen. Eine Familie gründen, das heißt auch ankommen. Ohne stehen zu bleiben. Der durchdringende Wille, alles zu geben, um diesen kleinen Menschen glücklich zu machen. Die beste Version von sich selber zu sein. Jeden Tag. Ein hohes Ziel, das (natürlich!) nicht immer gelingt. Eigentlich sogar ziemlich selten. Denn wer ist schon perfekt? Aber auch das ist Fortschritt: die eigenen Makel als subjektive Perfektion zu erkennen. Über sich hinaus zu wachsen – jeder für sich und gemeinsam in den Beziehungen zueinander. Es läuft nicht immer alles glatt. Oooooh nein das tut es weiß Gott nicht! Aber: das ist das Leben. Mit Kind wird einem das sehr bewusst. Und man lernt, selbst wenn man es sich vorher auch ständig vorgebetet hat, erst jetzt so richtig was das heißt: den Moment genießen. Wenn man mal ganz in Ruhe Zeit hat einen Text zu schreiben, der einem am Herzen liegt (ja genau, diesen hier.) Nachts um 3:37 Uhr sind alle Babys grau. Ach nee, das heißt ja eigentlich … Egal. Ich hab einfach zu wenig geschlafen die letzten sechs Monate, ich sollte jetzt den Laptop weglegen und… aber eins noch!

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Fluchen ist die beste Medizin

Wenn ihr das hier mit dickem Babybauch lest, bitte freut euch! Freut euch von ganzem Herzen auf diese Erfahrung. Sie ist nicht immer einfach aber eben oft wunderschön: Den Erwachsenen, den man am meisten liebt zusammen mit der kleinen Fusion aus ihm und dir zu sehen. Dieses Glücksgefühl kann kein Dealer dieser Welt für teuer Geld verkaufen (wobei Schoko Crossies schon nah dran kommen). Aber man sollte eben auch wissen: Eltern sein muss man erst lernen. Darum seid nicht zu streng zu euch selbst. Lacht über eure gemeinsame Naivität. Lernt, dass Hinfallen und Aufstehen am besten funktioniert, wenn man lautes Fluchen als Zwischenschritt einbaut.

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Schwanger. Na herzlichen Glückwunsch!
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Ich bin ich – auch mit Kind

Um zum Ende zu kommen: Menschen, die Kinder betreuen, verdienen Respekt. Und alle, die noch keine Kinder haben? Die verdienen mehr Ehrlichkeit. Es darf kein Tabu sein zu sagen: „Ich kann nicht mehr. Ich liebe mein Kind. Aber ich liebe mich eben auch. Ich will ich bleiben. Ich will meine Brüste (wieder) für mich haben, will meine Seite des Bettes für mich allein haben. Will abends nicht pünktlich um 18h das Kind ins Bett bringen, sondern jetzt noch einen trinken. Das alles macht mich nicht zu einer schlechten Mutter (oder einem schlechten Vater). Sondern zu einem glücklichen Menschen. Und ein glücklicher Mensch kann besser lieben. Das ist meine Überzeugung. Und genau das ist es, was ich meiner Tochter beibringen will, worin ich ihr ein Vorbild sein will: Andere lieben und sich selbst treu bleiben, das geht. Ich persönlich muss es nur noch lernen. Und auf dem Weg dahin? Gibt’s ne Menge Schoko Crossies.