Ein Bordell in Zeiten von Corona Mein Besuch im Pascha

Pascha – ©Unsplash

Köln im Lockdown. Es ist Anfang Mai 2020, die Welt steht still und der nahende Sommer droht der tristeste aller Zeiten zu werden. Als Stand-Up Comedienne habe ich seit Monaten nicht auf der Bühne gestanden und weiß nicht, ob das dieses Jahr überhaupt nochmal möglich sein wird. Nachdem ich wirklich auch die letzten fiesen Schubladen in meiner Wohnung ausgemistet habe, geistert 24/7 nur eine Frage durch meinen Kopf: Was mache ich jetzt? In der Nacht vom 07. auf den 08. Mai schlafe ich nicht und stehe irgendwann nachts an meinem Dachfenster. Ich gucke auf Köln und die vielen, kleinen Fenster, hinter denen sicher genauso desorientierte Einzelschicksale hängen, wie ich eines bin. Wer sind die Köpfe, die sich da hinter den hellen Fensterpunkten befinden und warum wohnen sie ausgerechnet hier? Was machen die jetzt und wie empfinden sie die globale Zwangspause? Ich will diese Leute kennenlernen.

Pascha – ©Unsplash
Luft raus?
© Unsplash

Warum Köln?

Aber wie? Ich könnte natürlich wie ein Creep auf irgendwelchen Parkbänken Leute ansprechen oder traurige Facebook-Aufrufe starten, ob sich nicht mal jemand mit mir unterhalten will, aber so frustriert bin ich dann doch noch nicht. Ich will einen Podcast machen. Auch das ist keine neue Idee und nichts, womit ich das Rad neu erfinde, allerdings bietet es genau in diesen isolierten Zeiten die Möglichkeit, mit Menschen in Kontakt zu sein, ohne, dass man sich tatsächlich anatmen muss.
Die Idee ist geboren, ich kann nicht mehr schlafen und am nächsten Morgen entscheiden das Team von Geheimtipp Köln und ich, dass wir den „Warum Köln?“ – Podcast starten werden.

Im Büro vom Pascha

Ein paar Wochen später. Die Lage hat sich für viele entspannt. Die Geschäfte haben wieder auf, der Sommer nimmt normalere Formen an, als wir zunächst befürchtet hatten. Das Leben geht weiter. Nicht aber für meinen ersten Gast. Armin Lobscheid ist der Geschäftsführer des Kölner Bordells „Pascha“. Die Türen des größten Laufhauses Deutschlands sind seit dem 15. März verschlossen, nachdem sie vorher 25 Jahre lang durchgehend geöffnet waren. Wir besuchen Armin in seinem Büro und ich muss sagen, dass mich dieser Besuch dort beeindruckt. Ein Ort, der normalerweise mit so viel Illusion, so viel Blingbling und inszenierter Sexyness daherkommt, präsentiert sich uns wie eine abgespielte Theaterkulisse. Traurig, verstaubt und perspektivlos. Irgendwie irritiert es mich, dass hier Teppichboden ist. Der riecht genauso, wie mein Kopf sich sonntags anfühlt, wenn der Abend vorher zu doll war. Nach Bier, Zigarettenresten und ein bisschen wattig.

Pascha, Köln – ©Unsplash
Wann geht es wieder heiß her?
© Unsplash

Die Realität einer Pandemie

Wir fahren auf die Büroetage. Die Gänge haben etwas von Hotelfluren und die meisten Zimmer gähnen einem leer entgegen. Nur noch zwei Damen wohnen aktuell im Haus. Vor einer Tür hat jemand ein Gitter angebracht, das aussieht, wie die Gitter die man installiert, damit Kinder nicht die Treppe runterfallen. Hier sollte es wohl den Hund davon abhalten das Weite zu suchen. Der liegt allein in dem angrenzenden Büro und schaut träge hinaus. Alles hier fühlt sich an, als befände man sich in einem Vakuum. Der Glanz längst vergangener Zeiten und die Erinnerung an wilde Geschäftigkeit trifft auf die schalltote Realität einer Pandemie.
Es gibt eine Kantine: Kaffeemaschine, belegte Brötchen und Selbstbedienung wirken seltsam profan im Kontrast zu dem mystischen Empfang unten. Die Tatsache, dass es Kamillentee gibt, trifft auf meine Idee von einem Bordell, das einem in seiner ganzen Sex-Härte ins Gesicht schlägt. Auch Sexarbeiterinnen trinken Kräutertee.

Pascha – ©Unsplash
Füllst du noch?
© Unsplash

Der Mann und die Alpen

Armin selbst wirkt wie die hemdsärmelige Version von Kriss Kringle, dem Weihnachtsmann aus „Das Wunder von Manhattan“. Er verliert nicht viele Worte, bietet uns geschäftig Getränke an und bedeutet uns, ihm in sein Büro zu folgen. Wir betreten einen Raum, der aussieht wie eine bayrische Wirtschaft. An den Wänden befinden sich Geweihe, die er selber erbeutet hat, Bilder vom „Wilden Kaiser“ und eine Sitzgruppe, auf der nur noch das „Stammtisch-Schild“ fehlt. In dem Moment, wo sich der Chef setzt, verändert sich sein ganzes Wesen. Mit einem Mal lockern sich seine Gesichtszüge und wir sind nicht mehr „die, die was von ihm wollen“, sondern Gesprächspartner. Er beginnt sofort zu erzählen und immer wieder verliert sich sein Blick im nirgends, besonders, wenn es um Dinge geht, die ihn bewegen.
Das Kölnpanorama, dieser bajuwarische Raum und das Wissen, um was für eine Art Betrieb es sich hier handelt, machen etwas mit mir. Armin erzählt viel und gerne und weiß genau, was er tut. Pragmatismus ist wichtig in einer Welt zwischen Sex, Not, Zuwanderung und Alltagsproblemen wie verstopften Toiletten und kaputten Heizungen.
Armin ist PR-Vollprofi und trotzdem habe ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass er mir was vorspielt. Er ist der Hüter dieser Schafherde und weiß genau, wo es hier langgeht. Nur in dem Moment, wo er von dem spricht, was er in seiner Zeit dort gelernt hat, da wird er doch etwas nachdenklich, der Mann mit dem roten Kopf und den unruhigen Augen. „Dass es das wichtigste ist nach vorn zu schauen. Immer. Es gibt kein Zurück. Sonst lassen einen die Dinge nicht los. Natürlich hatte ich auch mal Träume. Aber ich habe mich eben hierfür entschieden. Und wenn ich mal nicht kann, dann gibt es ja immer noch das hier.“, sagt er und nickt Richtung „Wilder Kaiser“. Der ältere Mann und die Alpen.

Pascha, Köln – ©Unsplash
© Unsplash

Komischer Zauberkasten

Als wir zurück zum Aufzug gehen, ist der Hund nicht mehr da. Dafür sitzt ein einsamer Mann in Jogginghose dort am Computer und schaut uns mit trübem Blick an. Armin verabschiedet uns „thailändisch“ mit Verbeugung am Aufzug und wir fahren runter. Draußen würde ich rauchen, wenn ich nicht aufgehört hätte. „Lass uns erst da drüben reden, hier sind Kameras“, sagt mein Kollege. „Komischer Zauberkasten“, denke ich.

Pascha, Köln – ©Unsplash
© Unsplash

Mehr zum Podcast! Warum Köln?