Jeden Morgen, sobald ich die Tür aufschließe und mich umschaue, denke ich: Wenn ich mir das ausdenken müsste, könnte ich mir das gar nicht ausdenken! So geil ist das!“ -Daniel Kress, Geigenbauer.
Im ersten Stock eines Altbaus in der Aachener Straße, steige ich über ein Kontrabass nach dem anderen, winde mich um aufgestellte Holzkörper: Umringt von einer Vielzahl riesiger Streichinstrumente, Bögen, kleinen bis großen Kindergeigen und Modellen, komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es ist offensichtlich: Hier wird gearbeitet und das mit sehr viel Leidenschaft! Die Räume, mit ihren hohen Decken, sind von oben bis unten gefüllt mit Kunst – inklusive Werkbänke, Sägen, Hobel, Pinsel, Holz und Sägespähne. Hier ein freies Plätzchen zu finden, fällt schwer. Und doch scheint jeder Gegenstand ganz genau seinen Platz zu haben.
Mit 6 Jahren begann der Gründer dieser Werkstatt Geige zu spielen, drei Jahre später beschloss der Junge Geigenbauer zu werden. Gesagt, getan.
Seit 15 Jahren ist Daniel Kress nun Geigenbauer und führt sein eigenes Unternehmen. Gemeinsam mit vier weiteren Mitarbeiterinnen baut, restauriert und repariert er täglich mehrere Instrumente von nationalen und internationalen Auftraggeberinnen. Nachdem er seine Prüfung ablegte, war schnell klar, dass er seine sprudelnde Kreativität und seine unverfälschte Begeisterung für diese Arbeit in seinem eigenen Umfeld ausleben muss. „Das Startkapital bekam ich von meinem Papa, der anfangs auch meine Buchhaltung übernahm,“ erzählt Daniel. „Der Bänker und der Künstler: Der Beginn einer kleinen romantischen Vater-Sohn-Phase,“ Daniel lacht. Jeden Monat unterstützte dieser ihn mit einem kleinen Geldbetrag. „Hiermit kommt du jetzt gut über den Dezember, hat er immer gesagt,“ und ist immer noch berührt von dieser Geste. „Nach zwei Jahren, kam er dann zu mir: Ich glaube, du brauchst mein Geld nicht mehr.“ Das war der Punkt, an dem es wirklich los ging. Von der kleinen Wohnung in Köln, mit zusätzlich angemieteten WG Zimmer als Lager im selben Haus, mussten mit größeren Aufträgen selbstverständlich auch schnell größere Räumlichkeiten mit angemessener Werkstatt her. „Zeitweise habe ich die Instrumente von meinem Bett räumen müssen, um schlafen zu können. Das konnte so nicht mehr weitergehen,“ erinnert sich Daniel belustigt an diese aufregende Zeit. Mittlerweile restaurieren und reparieren er und sein Team Instrumente unter anderem für das Orchester in Paris, Luxemburg, Kopenhagen und München. Auch bestückt er internationale reisende Orchester aus Russland, Amerika oder Spanien mit seinen Instrumenten für Europatouren. „Ich muss mich selbst immer noch daran gewöhnen, aber ich bin einer der Großen,“ sagt er bescheiden und doch stolz. „Abends komme ich manchmal zurück in die Werkstatt, mache mir schönes Licht an, sitze einfach nur da, denke mir neue Sachen aus und bin einfach nur glücklich.“
Man merkt, Daniel liegt es enorm am Herzen, die Kunden mit großer Zufriedenheit zu erfüllen. Das bedeutet für ihn nicht nur, den Auftrag abzuarbeiten und die offensichtlichen Macken oder Reparaturen durchzuführen. Sein Spezialgebiet ist es, sich unter Berücksichtigung des Originals, das Instrument genau unter die Lupe zu nehmen. Dabei sucht er, mit geschultem Auge, bei jedem Einzelstück den Weg der Optimierung: Wie kann man den Klang verbessern? Gibt es eine Möglichkeit wie der/die Musikerin noch besser darauf spielen kann? „Mir ist es sehr wichtig, dass der/die Kundin sich bei mir aufgehoben fühlt. Gibst du dein Baby ab, möchtest du schließlich immer sicher sein, dass es bestmöglich behandelt wird und sicher ist, oder? Genauso machen wir das hier.“ Dabei dokumentiert er über die gesamte Zeit einzelne Schritte des Arbeitsverlaufes, um die Auftraggeber mit Bildern an dem Prozess teilhaben zu lassen. Hier und da findet Daniel „kleine Schätzchen“ aus früheren Jahrhunderten oder mit außergewöhnlichen Bauelementen, was jedes Mal pure Euphorie auslöst. „Spielt ein Orchester nun Vivaldi, ist es doch großartig, wenn ich dem/der Cellistin ein Cello aus genau diesem Vivaldi-Zeitalter anbieten kann,“ sprudelt es aus ihm hinaus. Auch kommen Musikerinnen zu Beratung zu ihm, die sich gerne dem Klang ihrer Vorbilder nähern möchten. Da kann Daniel ebenfalls helfen, denn neben seiner handwerklichen Arbeit, recherchiert und informiert er sich stets intensiv und breit gefächert – ob Klassik oder Jazz – über die Instrumente und Bauarten verschiedener Künstler*innen. „So weiß ich, welche Handgriffe oder Veränderungen ich am Instrument vornehmen muss, um den Klang zu erlangen, der gefragt ist.“
Es war, und das ist es immer noch, eine Herausforderung die Balance zwischen eigener Kunst und Aufträgen zu finden, erklärt mir Daniel. „Neben dem Geschäft, brauche ich ein Ventil für meine Kreativität, das ist ganz wichtig!“ Jedes Modell, das er in den Händen hält, beeinflusst seine innere Inspiration und verstärkt den Drang seine eigenen Ideen produktiv in den Bau eigener Instrumente zu stecken. Für die Fertigstellung einer Geige benötigt man ca. 160-180 Stunden, ein Cello beansprucht 350-400 Stunden Arbeit. „Leider fehlt mir momentan die Zeit dazu, aber die Entwicklung geht dafür an anderen Stellen weiter. Meinen Leidenschaft für meine Arbeit wird dadurch nicht eingeschränkt. Ich liebe das, was ich tue und bin froh, es zu teilen. Sowohl mit meinen Mitarbeiterinnen, Kundinnen und Musiker*innen.“